2013 Hansalauf Bremen - Hamburg

Was wir hinter uns haben

Was sich Stefan S. da vorgenommen hatte, auf die Idee muss man erst einmal kommen! Jedenfalls, sein Fahrrad ist definitiv in Bremen geblieben...

Hansalauf Bremen-Hamburg
„Auf alten Handelswegen, Nebenstrecken oder stillen Waldwegen radeln Sie durch eine wunderschöne norddeutsche Landschaft und durch idyllische Ortschaften bis Sie die Hansestädte erreichen“, so lädt die Internetseite des rund 150km langen Radfernweges Bremen – Hamburg ein. Schon lange hatte es mich gereizt, so eine Strecke, aufgeteilt über mehrere Tage, hinter mich zu bringen, allerdings nicht per Fahrrad, sondern in Laufschuhen...
Die Rechnung war einfach: 150 Kilometer an drei Tagen, sind etwa 50 Kilometer pro Tag. Und schon vor ein paar Wochen rüstete ich mich mit entsprechendem Kartenmaterial aus und plante die Route mit den Zwischenstopps. Planung erforderte auch, was ich in dem kleinen Laufrucksack überhaupt für die drei Tage mitnehmen konnte: Zwei Laufsets mussten genügen, nur das Nötigste an medizinischem Equipment (Wundsalbe, Vaseline), etwas Technik (Smartphone, Digicam, Ladekabel), und Energie (Powerriegel und Gels) für unterwegs. Ein Paar Laufschuhe mussten genügen, es passte kein zweites in den Rucksack.
Für den Tag meiner ersten Etappe (25.4.13) von Bremen nach Gyhum-Sick (nie vorher gehört!), war geniales Frühlingswetter vorausgesagt, für den Tag der zweiten Etappe allerdings ein Temperatursturz und Regen. Von daher musste ich kurzfristig an meiner Packplanung feilen, und etwas mehr und wärmere Sachen mitnehmen. Ein kleines „Care-Paket“ schickte ich auch an einen Bekannten in Hamburg, damit ich mich dort nach Ankunft frisch einkleiden konnte.
Das Wetter beim Start war eher trüb und grau. Um 12 Uhr ging es beim Bremer Roland los... Zunächst joggte ich auf den bekannten Wegen des Bürgerparks, am Haus am Wald vorbei, Richtung Kuhsiel und dann Richtung Osten auf dem Wümmedeich. Die Sonne kam dann doch durch, und es kam das vorausgesagte geniale Frühlingswetter mit leichtem Rückenwind aus Südwesten. Ich kam ganz gut voran, und der doch relativ schwere Rucksack störte mich wenig. Allerdings nahm ich schon in Borgfeld eine falsche Abzweigung, und setzte so nördlich der Wümme meinen Weg in Richtung Fischerhude, wo ich kurz vorher wieder auf den offiziellen Fernradweg traf, fort. Landschaftlich wechselten sich nach der Wümmeniederung und Felder und kleine Wäldchen ab, und überall Büsche und Obstbäume in voller Blüte! 5 km nach Fischerhude (bei Quelkhorn, auch noch nie gehört!) gab es die erste bemerkbare „Steigung“, eine kleine „Welle“ in der ansonsten flachen Landschaft. Nach weiteren 10 km erreichte ich endlich Wilstedt, wo es seit Bremen das erste Geschäft gab und ich die dringend notwendigen Flüssigkeitsvorräte aufstocken konnte.  Es folgten Wilstedt, Winkeldorf und Nartum, aber die letzten Kilometer von dort nach Gyhum-Sick waren doch die schwersten (und die Gehpausen wurden länger), war ich dann doch schon mehr als 50 Kilometer unterwegs... Nach fast 7 Stunden und 55 Kilometer erreichte ich dann dort meine erste Zwischenetappe, das Hotel „Niedersachsenhof“,  an der B71 ein paar Kilometer nördlich der Autobahnausfahrt Bockel (ok, davon hat man schon gehört, aber es ist schon seltsam, eine Autobahnausfahrt nach den paar Häusern, die dort stehen, zu benennen). Nun war bei einer warmen Dusche, einem üppigen Abendessen und in einem komfortablen Bett Ultra-Regenration angesagt...
Der nächste Tag zeigte sich wie vorhergesagt, neblig, feucht, und rund 10 Grad kühler. Auch nach einem ausgiebigen Frühstück änderte sich daran nichts. Freundlicherweise wollte man mir beim Auschecken noch den Schlüssel für die Hotel-Scheune geben, wo ich mein Fahrrad herausholen könne... Die ersten 15 km bis nach Zeven (über viele viele kleine Dörfer mit schönen Kirchen und alten Rehtdachhäusern und –höfen) waren landschaftlich ähnlich wie gestern, nur hatte sich die Kulisse geändert, es  nieselte kontinuierlich und von Frühlingssonne keine Spur... Ab Zeven wurde es wieder trocken und ich schöpfte beim Lauf durch den Markt und die Fußgängerzone und beim Aufstocken meiner Getränkevorräte neue Lauflust. Die schöne Klosteranlage und das zugehörige Museum in Zeven muss ich noch ein andermal besuchen, hinter Zeven kreuzte die Oste mehrmals meinen Weg, und insgesamt lief man viel mehr am oder in Wäldern, aber oftmals leider auch entlang von Fahrradwegen neben Kreisstraßen. Ein Blick noch auf die alte Feldsteinkirche in Heeslingen, dann wurden die Siedlungen wieder deutlich kleiner... Und ich entdeckte für mich einen neuen Albtraum, der mir schon gestern mehrmals begegnet war: Endlos lang erscheinende, kerzengerade Feld- und Wirtschaftswege, flankiert von Baum- oder Gebüschreihen links und rechts, die ganz fern am Horizont zusammenzulaufen schienen. Wenn man da lief, egal wie schnell, und schaute auf den Horizont, meinte man fast, man kommt nicht einen Zentimeter vom Fleck. Deswegen war vor allem dort der Blick nur auf die zwei oder drei Meter Boden unmittelbar vor einem gerichtet, um dieser deprimierenden Aussicht zu entgehen... Aber kurz vor Sittensen (ok, tatsächlich ein nennenswerter Ort) gab es sogar unbefestigte Pfade im Wald, auf denen das Laufen wieder mehr Spaß machte. Und dann war es auch soweit: Der erste Wegweiser des Radwegs, bei dem die Distanz nach Hamburg kürzer war als die nach Bremen: Ich hatte die Hälfte geschafft!!! Aber nachdem ich durch Sittensen durch war regnete es ausgiebig, und mir blies ein kalter Nordwind entgegen. Auf der Suche nach meiner Unterkunft in Heidenau merkte ich mal wieder, dass große Papierfaltkarten bei Wind und Wetter nicht unbedingt praktisch waren und das durchweichte Teil löste sich fast in meinen Händen auf (das nächste Mal musste die Strecke im Smartphone sein!).  Der Wirt im Gasthof Burmester fackelte nicht lange, den Check-In kürzte er mit den Worten ab... „Sie brauchen erst mal eine warme Dusche!“ Wie Recht er hatte!
Nach einem leckeren Frühstück am nächsten Morgen und der obligatorischen Frage, wo ich denn mein Rad abgestellt hätte, machte ich mich bei trüben, aber trockenen Wetter weiter. Aber in meinen Beinmuskeln waren die mehr als 100 km der letzten beiden Tagen zu spüren, und sie fühlten sich die ersten 10 km sehr steif an. Nördlich von Hollenstedt wurde die Strecke tatsächlich hügeliger, und es folgte ein langer, leichter Anstieg in die Harbuger Berge. Die Wolken hatten sich mittlerweile aufgelockert, und die Sonne konnte sich immer wieder durchsetzen...Auf der Ostseite der Harbuger Berge joggte ich durch mehrere Teilorte der beschaulichen Gemeinde Rosengarten und durch Waldstücke, die mich eher an den Schwarzwald als an hanseatische Gefilde erinnerten. Ich überquerte wieder einmal eine Autobahn, und der nächste Meilenstein war erreicht: Das Ortsschild von Hamburg!
Formal hatte ich nun mein Ziel erreicht, aber zur Innenstadt waren es noch gut 20 Kilometer. Zunächst ging es durch Harburg, und über die Alte Harburger Brücke nach Wilhelmsburg, wo aufgrund der Internationalen Gartenausstellung eine Umleitung gelaufen werden musste. Aber das Wetter war genial, und ich kam, abgesehen davon, dass ich in Harburg zweimal eine falsche Abzweigung genommen hatte, gut voran. Welch ein Kontrast Hamburg doch zu den Dörfern der letzten Tage war!  Nördlich der Elbe, nur wenige Kilometer vor dem Ziel, wurde es dann nochmal mühselig, Nordwind und Fußgängerampeln und dann noch eine Demo mit großem Polizeiaufgebot am Hauptbahnhof schienen mich vom Ziel abhalten zu wollen. Aber nichts da! Nach insgesamt  knapp 164 Kilometern erreichte ich den Hamburger Michel!!! Und habe nun, nachdem ich so eine Strecke auch einmal gelaufen bin, ein ganz anderes Verhältnis zu solchen Distanzen!
Stefan S.