2013 3. Saar-Hunsrück-Supertrail

Was wir hinter uns haben

Langsam wird es unheimlich, unser Stefan wandelt sich zu einem Nimmersatt! Bisher ist in unserem Lauftreff keiner so extreme Strecken gelaufen wie Stefan, und das Schönste ist, er berichtet in einem so wunderbaren Schreibstil von seinen "Abenteuern", dass es fast so ist, als wäre man dabei. Aber lasst euch überraschen:

Oder: Shades of Green
Vom deutschen Wanderinstitut als schönster Fernwanderweg ausgezeichnet, zieht sich der Saar-Hunsrück-Steig auf 217 km Streckenlänge durch die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland. Kein Wunder, dass Bernhard Sesterheim, ein erfahrener Ultra-Läufer, der wohl schon jeden Winkel der Erde unter seine Laufschuhe genommen hat, in seiner Rheinland-Pfälzischen Heimat den Saar-Hunsrück-Lauf, der im wesentlichen dem Wanderweg folgt, ins Leben gerufen hat: An zwei Tagen werden insgesamt 126 km davon mit einer Höhendifferenz von ungefähr 3.500m bewältigt.
Knapp 100 leidensfähige und ich trafen an Christi Himmelfahrt in Nonnweiler-Braunshausen ein, wo der Veranstalter den Trainingsstützpunkt des Saarlandischen Sportbundes, zusammen mit Trainingsplätzen, Restaurant, Blockhütten und Gästehaus, als Basis für den Zweitageslauf nutzte.  Die Anreise hatte sich auch schon sehr gesellig gegeben, da ich mit zwei erfahrenen Ultraläufern aus Osnabrück mitfahren konnte und so schon den einen oder anderen Tipp aus der Szene mitbekam. Allerdings konnte ich doch manche Ultraläuferambitionen zumindest nicht ganz nachvollziehen...
Kostensparend hatte ich die Übernachtung in einer Blockhütte gewählt, und da musste man schon, was Luxus anging, ein paar Abstriche machen. Nach einem vorzüglichen Abendessen, bei dem ich sicherheitshalber noch eine extra Grundlage für die Läufe der folgenden Tage zu mir nahm, ging es in  Anbetracht der frühen Startzeiten auch schon entsprechend früh in den Schlafsack – und trotz aller Befürchtungen konnte ich, im Gegensatz zu meinen Zimmergenossen, auf der Isomatte sehr gut schlafen.
Mein Schlaf wurde aber gegen 4.30 Uhr jäh unterbrochen, weil meine Mitbewohner in der „ersten Welle“ mitliefen und daher eine Stunde früher starteten. An Schlaf war dann nicht mehr zu denken, aber ich nutzte die Zeit, meine Ausrüstung nochmal zu checken und in aller Ruhe zu frühstücken.  Nach einer recht langen Busfahrt mit bösen Vorahnungen hinsichtlich der Streckenlänge und der sehr hügeligen Mittelgebirgslandschaft erreichen wir den Startpunkt des Supertrails, die Wildenburg, eine mittelalterliche Burgruine bei Idar-Oberstein. Bernhard gab letzte Instruktionen zum Weg, dann ging es los...
Ich war geschockt, mit welcher Geschwindigkeit es zunächst durch den frühlingsgrünen Wald ging, trotz so mancher steiniger Passagen und Anstiege. Gerade die sehr steinigen Passagen war ich so gar nicht gewohnt, dafür boten diese Geröllhalden, da es dort kaum Bäume gab, geniale Aussichten auf das umliegende Pfälzer Bergland.

Geröllhalden
Und immer auch wieder interessante Felsformationen... Nach einer ersten Verpflegungsstelle ging es erst einmal in Serpentinen rund 260 Höhenmeter runter, und natürlich anschließend das meiste davon wieder rauf. Dies dann aber doch mit verminderter Geschwindigkeit... Und dann wieder runter...  Zum Glück lag dazwischen, bei Langweiler (toller Ortsname!), der nächste Verpflegungspunkt. Hier wurde alles geboten, was man so brauchte, Kekse, Salami, Schokolade, Brot, Cola, Isogetränke, Wasser, und viel gute Laune und Aufmunterungen von den Support-Teams. Alle 8 bis 10 Kilometer hatte Bernhard so eine Verpflegungsstelle eingerichtet, so dass, wenn man sich nicht verlief, nichts passieren konnte.
Wenn man sich nicht verlief...! Das tat ich zum Glück (fast!) nicht, aber man musste doch extrem auf der Hut sein, um nicht vom Weg anzukommen: Die Markierungen des Saar-Hunsrück-Steigs waren recht weit oben in den Bäumen angebracht, wo ein Läufer nicht unbedingt immer hinschaute. Oft war man so seinem Trott vertieft, dass man die Markierung an der kleinen Abzweigung in einen unscheinbaren Trampelpfad beinahe verpasste und einfach geradeaus weitertrabte....  Kein Wunder, rund 70% des Fernwanderweges befindet sich auf Naturwegen. Oder es ging über Holzplanken über Moorlandschaften hinweg...

Moorlandschaft
Oder es ging einen kleinen Mittelgebirgsbach bergan... Längst hatte sich die Geschwindigkeit normalisiert, und die schnellen Läufer waren schon seit Stunden außer Sichtweite. Schon etwas deprimierend! Die nächste Verpflegungsstelle war an der Naturpark Infostelle beim Erbeskopf, der mit 816 m höchsten Erhebung in Rheinland-Pfalz. Zumindest konnte man sich noch stärken, bevor man die restlichen gut 100 Höhenmeter bis zur Spitze, eine Sommerrodelbahn auf der einen und eine verwaiste Skipiste auf der anderen Seite des Fußwegs, zurücklegen musste, um damit ziemlich genau die Marathondistanz hinter sich zu bringen. Aber noch waren 24 Kilometer zu laufen... Aber von nun an ging es, nach einer grandiosen Aussicht auf die Berge des Hunsrücks, wieder bergab.
Wir passierten schließlich den „Hunnenring“, eine keltische Ringwallanlage, und man sah schon den Stausee bei der Talsperre bei Nonnweiler in der Ferne... Von dort musste man den Fernwanderweg verlassen, um zum Läufercamp zurückzukommen. Bei der Staumauer selbst gab es mehrere Abzweigungen, und eine Läuferleidensgenossin und ich wussten, dass Bernhard, der Organisator, etwas genau zu dieser Stelle sagte, da man sich hier verfranzen konnte. Aber wir konnten uns beide nicht mehr erinnern, welchen Weg wir nun nehmen sollten, und nahmen prompt die falsche Abzweigung. Aber zumindest nicht die „ganz falsche“ um den See herum (die einem zusätzliche 10 Kilometer beschert hätte!), immerhin kamen wir nach Nonnweiler „City“. Ein paar Fahrradfahrer, die wir nach dem Weg fragten, starrten in zwei ungläubig, weit aufgerissene Augenpaare, als sie uns vorschlugen, doch für die restlichen Kilometer nach Braunshausen einfach ein Taxi zu nehmen... Schließlich half uns ein Einheimischer, auf den richtigen Weg zu kommen. Es würden sich jedes Jahr hier um diese Zeit Läufer verlaufen, und wir seien auch nicht die ersten heute... Die letzten Kilometer waren sehr sehr mühselig, die Oberschenkel schmerzten, aber das war noch über 60 Laufkilometern wohl kein Wunder. Aber, nachdem sich die letzten paar hundert Meter in Braunshausen hinzogen, erreichte ich nach knapp über 10 Stunden, 67 Kilometer (mit dabei  2000 Höhenmeter) doch die Ziellinie bei den Blockhütten... Und dort gab es dann eine ausgiebige Pasta-Party mit allen Arten von Teigwaren als kleine Entschädigung.
Neuer Tag, neue Strecke: Etwas kürzer, etwas weniger bergig, aber dafür hatte sich das sonnige Wetter von gestern verzogen. Diesmal wurden wir in einen Vorort von Trier gebracht, wo der Saar-Hunsrück-Steig startete, Ziel waren wieder die Blockhütten in Nonnweiler-Braunshausen. Kurze Instruktionen von Bernhard, stets in kurzen Hosen, wo es doch gerade am Morgen so frisch war, und dann setzten sich wir Läufer der „zweiten Welle“ in Bewegung.
Ging es gestern durch Wälder und Wiesen, dominierten hier zunächst die Weinberge oberhalb der Ruwer und den Nebenflüssen der Mosel.

Das Anfangstempo war wieder sehr hoch, und irgendwann fand ich mich ganz am Ende wieder... Aber nach und nach überholte ich immer wieder einen Läufer, und nach einem Stück im Wald war auch schon die erste Verpflegungsstelle erreicht. Trotz des guten Abendessens gestern und einem nicht bescheidenen Frühstück hatte mir auf den ersten Kilometern der Magen geknurrt! Wieder überholte ich einen Läufer, der schon jetzt ankündigte, dass dies sein erster Zweitageslauf war, aber eben auch sein letzter (er brach den Lauf später ab)! Ja, aber auch ich hatte Probleme: Meine Oberschenkel brauchten die ersten 10 Kilometer, um eine gewisse Steifigkeit abzuschütteln, aber danach ging es ganz gut, wenn auch im langsamen Tempo. Wieder gab es aus dem Wald heraus schöne Ausblicke auf eine Talsperre, aber die in Nonnweiler war noch knapp 40 Kilometer entfernt... Wieder ging es durch Wälder in frischem Grün, und über saftige Wiesen, aber das Wetter war wechselhaft, und Regenschauer mit kalten Windböen blieben nicht aus. Zudem sah man den Mitarbeitern an den Verpflegungsstellen an, dass sie vor sich hin fröstelten. Dickes Lob für die Unterstützung!
Nach 30 Kilometern wurde das Laufen wieder hart, die Marathonmarke passierte ich erst nach knapp über 6 Stunden... So langsam bekam ich den Tunnelblick, wollte nur noch ankommen, und merkte dabei erst nicht, dass die reguläre Wegstrecke gesperrt und eine Umleitung zu laufen war und folgte einfach der alternativen Beschilderung. Erst als ich auf den Wegweisern  merkte, dass ich komischerweise meinem Ziel Nonnweiler (von den angeschlagenen Kilometern her) nicht näher kam, und der Verpflegungsstand nach 8 bis 10 Kilometern ausblieb, ahnte ich,  dass etwas nicht stimmte. Als dann der Verpflegungsstand nach ein paar extra Kilometer dann doch auftauchte, klärte sich die Sache mit der Umleitung endgültig auf. Immerhin hatte ich mich nicht verlaufen, aber gut 3 bis 4 Kilometer kamen eben extra dazu. Nochmal ausgiebig gestärkt, Wasser aufgefüllt, und dann wieder zurück auf die Strecke, deren Schönheit ich kaum noch genießen konnte... Nur laute Rufe von Lauffreunden hinter mir war es zu verdanken, dass ich nicht versehentlich doch eine Abzweigung übersehen hatte. Der Tunnelblick mag zwar beim Marathon nützlich sein, hier aber konnte es schnell danebengehen, mit noch mehr Zusatzkilometern...
Waldlauf
Immerhin ging es in einem schönen Tal, durch das ein Bach floss, leicht bergab... Und irgendwo mündete der dann in den anderen Bach, am Fuß der Talsperre von Nonnweiler, ein, wo ich bald sein müsste. Aber „bald“ war relativ, und „müsste“ muss man gar nichts. Es zog sich wie Kaugummi, und selbst das Bergablaufen tat weh! Schließlich kam ich doch noch an den Fuß der Staumauer, und die Organisationsleitung hatte noch ein paar extra Hinweise auf dem Weg angebracht, dass sich auch niemand verlaufen konnte (ok, hat, wie ich gehört habe, auch nicht ganz geklappt). Immerhin erreichte ich die letzte Verpflegungsstelle, aber abgesehen von Wasser und aufmunternden Worten gab es da leider nichts mehr. Und die letzten Kilometer von Nonnweiler bis zum Sportzentrum Braunshausen... Naja, darüber möchte ich nun nicht mehr reden... Es tat nur noch weh, jeder Schritt! Und da stellt man sich schon die Frage, wie man auf so eine blödsinnige Idee gekommen ist, an so einem Lauf mitzumachen...
Aber alles geht vorbei, auch die längste Strecke, und ich war froh, dass Bernhard und sein Team genug Grillwürste für alle Läufer bestellt hatte! Fazit: Genialer Lauf, geniale Landschaft, geniale Organisation, nur bitte bitte bitte nicht jedes Wochenende, und auch nicht jedes zweite J...
(Gesamtwertung der Herren: 34. Platz von 53 Finishern, 10 Läufer sind unterwegs ausgestiegen)
Stefan