2015 15. Röntgenlauf

Was wir hinter uns haben
Ultra C-Klasse

Naja, mir ist nicht bekannt, ob Wilhelm Conrad Röntgen, der Entdecker der gleichnamigen Strahlen, sich auch für den Laufsport begeistert hat. Fakt ist aber, dass zu seinem 150. Geburtstag, im Jahr 1995, der „Rundweg um Remscheid“, seinem Geburtsort, offiziell zum Röntgenweg umgewidmet wurde. Und ein weiteres Jubiläum im Jahre 2000, dem 100. Geburtstag der Ortsgruppe Remscheid des SGV, des Sauerländischen Gebirgsvereins, ist dann der erste Röntgenlauf, zu weiten Teilen auf dem besagten Röntgenweg, zu verdanken.

Wie letztes Jahr, bei meiner ersten Teilnahme, war wieder halb Remscheid entweder läuferisch oder als Strecken- und Verpflegungsposten aktiv. Geschickt ist die Gesamtlänge des Röntgenlaufs durch einen Schlenker in den Ortsteil Lennep, wo der findige Physiker geboren wurde, auf 63,3km bzw. 3 mal die Halbmarathonstrecke festgesetzt. Läuferisch konnten so eine Vielzahl von Strecken angeboten werden. Etwa auf dem ersten Abschnitt die Halbmarathonstrecke. Wer auch den zweiten Abschnitt laufen wollte, kann einen Marathon verbuchen. Und der ganze Rundweg dann die klassische Ultra-Röntgenlaufdistanz. Aber auch 3er Teams machten die Runde um Remscheid, wobei jeder einen Halbmarathon zu absolvieren hatte. Das Halbmarathon- und Marathonziel war mit dem Start mit Shuttlebussen verbunden. Und dann gab es noch eine Vielzahl weiterer kürzerer Läufe für den Nachwuchs sowie Nordic Walking Strecken ohne Wettbewerbscharakter.

Das gibt’s jedes Jahr im Remscheid Ende Oktober zum Röntgenlauf. Aber nur alle 5 Jahre gibt es die „Kaiserstrecke“ über 100 Kilometer, wobei der dritte Halbmarathonabschnitt der klassischen Strecke, der mit den meisten Steigungen, dreifach gelaufen werden musste. Und an anderer Stelle wurde gekürzt, man sparte sich den Schlenker nach Lennep, damit man auf die 100km kam.
Man braucht ja nicht lange zu raten, zu welcher Distanz ich mich angemeldet hatte. Aber die Nachfrage nach dem Hunderter war enorm! Die 250 Startplätze waren schnell weg und die Veranstalter ließen kurzfristig noch 20 Läufer mehr zur Anmeldung zu. Damit war dieser Jubiläumslauf dieses Jahr die teilnehmerstärkste Austragung eines 100km-Laufes in Deutschland!
Pasta-Party im Sportzentrum Hackenberg, am Vorabend des Röntgenlaufs
Ich reiste am Tag vor dem Start, der immerhin um 3 Uhr morgens war, an. Wie letztes Jahr herrschte gute Stimmung im Sportzentrum Hackenberg. Ich genoss die Pasta Party und richtete dann in einer benachbarten, kleineren Sporthalle mein Nachtlager und alle Sache für den Lauf so, dass ich morgen früh alles gleich zur Hand hatte und nicht lange suchen musste. Für zusätzliche Anspannung sorgte auch noch die Zeitumstellung, aber der Veranstalter wies überall ausdrücklichst darauf hin, dass alle angegebenen Zeiten schon Winterzeit waren. Also, 3 Uhr Winterzeit ist doch 4 Uhr Sommerzeit, also nicht so schlimm, oder?
Des Ultra's Nachtlager...
Doch! Es war schlimm! Normal schlafe ich gut in einer Massenunterkunft (sofern „die Masse“ eben auch laufen wollte und entsprechend den gleichen Rhythmus hatte), aber diesmal dauerte es lange mit dem Einschlafen.
Ich wachte dann noch vor dem Wecker auf, den Mitläufern sei Dank, hatte dann aber mit dem Zusammenpacken, dem Vorbereiten und dem Frühstück keinen Stress. Endlich traf ich auch auf ein paar bekannte Gesichter. Die Ultras aus Osnabrück waren nachts per Auto angereist, sie hatten so eine kürzere Nacht, aber den Vorteil, im eigenen Bett zu schlafen.
Nach kurzen Einweisungen fiel der Startschuss in stockfinsterer Nacht. Zuerst war der dritte Abschnitt in entgegengesetzter Richtung zum „normalen“ Röntgenlauf bis zum Freibad Eschbachtal zu laufen, dort wurde gewendet, und bis man dann wieder am Sportzentrum war, hatte man schon die Marathondistanz. Im Pulk der Ultras ging es durch die Nacht. Langsam zog sich das Feld auseinander und man sah vor sich und hinter sich die Lichter der Stirnlampen und sonstigen roten, gelben oder grünen Blinklichter. Man! Und was gab es für Stirnlampen!!! Da gab es Teile, die konnten es wohl mit dem Flutlicht im Weserstadion aufnehmen!!! Na gut, das machte dann doch nur Sinn, wenn man oft nachts unterwegs war und noch dazu schnell lief. Also, ich war mit meiner Funzel für meine Verhältnisse zufrieden.
Weiter ging es durch die Nacht. Schade, man bekam so richtig von der Landschaft nichts mit. Nur das, was der Lichtkegel hergab, oder was man sonst erahnen konnte, wie so manche Talsperren und Stauseen, wie etwa die Wuppertalsperre. Auf halber Strecke stimmungsvoll ein Verpflegungspunkt mit Fackeln beleuchtet. So bergig war es dann insgesamt doch nicht. Dann der größere Abstieg ins Eschbachtal, an der Eschbachtalsperre (älteste Trinkwassertalsperre Deutschlands) vorbei, unter der A1 durch, auf dem Freibadgelände über die Zeitmessmatte und wieder zurück. Die ersten kamen mir schon 3 Kilometer vor der Wende entgegen, fast genau an dieser Stelle fragte mich (nachdem ich schon auf dem Rückweg war) ein frustrierter Teilnehmer, wie weit es denn noch bis zum Wendepunkt sein. Oh weh!!! Das waren für ihn ja erst rund 18 Kilometer von den 100!
So langsam dämmerte es, und gegen 8 Uhr war ich wieder am Sportzentrum Hackenberg. Dort wollte ich dann auch die Sicherheitsweste, die Stirnlampe und die Ersatzbatterien zu meinem Gepäck geben, damit ich das nicht auch noch die restlichen 58 Kilometer schleppen durfte. Das dauerte jedoch gefühlt eine Ewigkeit, weil die Gepäckaufbewahrung in einer kleinen Halle hinter dem Anmeldebereich war, wo nun durch die anderen Laufwettbewerbe Hochbetrieb herrschte. Aber im Nachhinein habe ich festgestellt, dass mich das Ganze nur rund 8 Minuten aufgehalten hat. Und diese Zeit war dann doch gut investiert!
Achtung: Läufer!!!


Weiter ging es auf den eigentlich ersten Abschnitt des Röntgenlaufes, gekürzt um die Lenneper Innenstadt, so dass es bis zum Halbmarathonziel nur etwa 18 Kilometer waren. Nun war es endlich Tag! Sehr trüb, aber trocken, und der farbenfrohe Herbstwald entfaltete seinen Reiz. Das Läuferfeld hatte sich sehr weit auseinandergezogen, und ich hatte die Verpflegungsstände, wo man von örtlichen Sportvereinen emsig umsorgt wurde, manchmal für mich allein.
Verpflegung ganz für mich alleine!!!

Das änderte sich aber schnell! Um 8.30 Uhr waren nämlich die anderen Laufwettbewerbe am Sportzentrum Hackenberg gestartet, und die jungen wilden Halbmarathonis stürmten immer wieder an einem vorbei, gerade auf den Trailabschnitten war das doch anstrengend für mich, wollte den Leuten ja Platz machen. Die Führenden wurden jeweils von mitfahrenden Mountain-Bikern angekündigt, sodass immer Zeit blieb, Platz zu machen.
Halbmarathonziel... Ultras und Marathonis rechts abbiegen und weiterlaufen!

Nach dem Halbmarathonziel, für mich bei Kilometer 58, wurde die Strecke dann wieder leerer. Nun überholten mich immer wieder Marathonis. Einige schauten sich nach mir um, nahmen meine Startnummer mit dem „C“ vorweg mit Achtung zur Kenntnis, welches die 100km-Läufer kennzeichnete. Insgesamt herrschte wirklich eine tolle Atmosphäre auf dem Weg. Dieser bestand überwiegend aus Asphalt- und ungeteerten, aber ausgebauten Forstwegen und ab und an ein paar Singletrails. Wenn Straßen überquert werden mussten, waren Feuerwehr, Polizei oder THW vor Ort, und sperrten für die Läufer den Verkehr ab. Ein seltener Service für Ultras!
Es geht aufwärts!
Die Strecke war auch, wenn man sich die Zeit nehmen konnte, voller kleiner Sehenswürdigkeiten. Einmal ging es unter der Müngstener Brücke, der höchsten Eisenbahnbrücke Deutschlands, durch. Und immer wieder an historischen Hammerschmieden vorbei, die vor der Industrialisierung zur Herstellung von Schmiedeeisen dienten. Die Bäche im bergischen Land boten dafür wohl ausreichend Wasserkraft.
Ziemlich erschöpft kam ich nach zehneinhalb Stunden wieder in dem Freibad an. Hier war ja auch Ziel der Marathonis, und es gab Verpflegung, tolle Stimmung, Anfeuerung und gute Wünsche über Lautsprecher. Den dritten Abschnitt kannte ich ja von heute Morgen, nur waren mir die Steigungen als nicht so schwierig in Erinnerung.
Durch den Herbstwald
OK, die letzten 21 Kilometer. Das waren dann die, wo man sich nach dem Warum fragt. Aber die Antwort nach dem Warum ergab sich aus den Adrenalinschüben beim Zieleinlauf!!!
C-Klasse im Ziel!
PS: Und alle C-Finisher haben dann noch eine schöne Röntgenlauf-Funktionsjacke erhalten. Die werde ich garantiert nicht beim Spartenleiter abgeben :) (Anmerkung des Spartenleiters: Schwer verdient, die Jacke kann behalten werden!).

Stefan S.